Apothekerin zwischen zwei Welten – ein Blick auf Österreich und Deutschland

Astrid Janovsky ist seit über 20 Jahren als Apothekerin tätig und kennt die Apothekenlandschaft sowohl in Österreich als auch in Deutschland aus eigener Erfahrung. Sie schildert ihre persönliche Sicht auf die Unterschiede zwischen beiden Systemen – von bürokratischen Hürden über Gehaltsstrukturen bis hin zum Konkurrenzkampf zwischen Apotheken. Ein ehrlicher und kritischer Blick über die Grenzen.
Seit mehr als neun Jahren liegt mein Lebensmittelpunkt als Apothekerin bereits in Deutschland – und wäre ich nur wegen der Arbeit dort, würde ich keine Minute länger bleiben. Genauer gesagt hätte ich vermutlich keine drei Monate in Deutschland durchgehalten, denn bis auf wenige Ausnahmen ist das deutsche Apothekenleben wesentlich unfreundlicher als das österreichische. Und zwar nicht nur für angestellte Apotheker:innen.
Aus der Ferne betrachtet sind für mich die drei größten Vorteile der rot-weiß-roten Apothekenlandschaft der Gebietsschutz, die pharmazeutische Gehaltskasse und die relativ einfache Rezepteinlösung. Ja ja, ich weiß, da läuft auch in Österreich nicht immer alles rund, aber haben Sie schon mal von Rabattverträgen gehört? In Deutschland gibt die Krankenkasse (bzw. die über 80 Krankenkassen) vor, welcher Hersteller bei der Verschreibung des Arztes abgegeben wird.
Und weil das alles noch nicht kompliziert genug ist, liegt die Rezeptgebühr irgendwo zwischen 5 und 10 Euro – je nach Wert des Medikaments. Es gibt aber auch für Gebührenzahler immer wieder „Gratispackungen“.
Der zweite Punkt meiner Österreich-Top 3: Der Gebietsschutz. Wenn Sie durch eine deutsche Einkaufsstraße flanieren, schlendern Sie alle paar Meter an einer Apotheke vorbei. Ok, das kann in Österreich auch passieren, ist dann aber eher die Ausnahme. In Deutschland ist es die Regel. Und nicht nur in Premiumlagen in Ballungsräumen. Ich selbst arbeite in einer Apotheke in einer 8.000 Seelen-Gemeinde mit praktisch null Einzugsgebiet. Im Ort gibt es drei Apotheken: wir (klar), dann eine direkt vis-à-vis auf der anderen Straßenseite und eine 200 Meter die Straße hinauf. Das bringt natürlich eine massiv angespannte Konkurrenzsituation. Und was tut die deutsche Apothekerschaft, um sich gegen den Mitbewerb durchzusetzen? Sie gibt Rabatte bzw. einen ganzen Strauß an Gratisleistungen und Geschenken.
Erst letzte Woche stand eine Dame vor mir an der Tara – die in Deutschland übrigens HV-Tisch heißt – und fragt mich ganz unverblümt, ob es bei uns Geschenke gibt. Nein, gibt es nicht. Und nein, auch nicht zum Geburtstag. Dafür bieten wir gratis Hauszustellung, 7 verschiedene Kundenzeitungen und jedes Quartal einen 15 Prozent-Coupon im Angebotsflyer. Hat der Dame nicht gereicht. Die mürrische Antwort: „Das machen andere Apotheken auch.“ Wo sie recht hat, hat sie recht. Man könnte also ketzerisch die Behauptung aufstellen, dass die deutsche Apothekerschaft das massive Apothekensterben, das gerade um sich greift, bis zu einem gewissen Grad selbst verschuldet.
Die unbezahlbaren Fachkräfte, die auch gerne angeführt werden, sind da weniger Sterbehelfer. Zumindest, wenn man den Vergleich zu Österreich zieht. Denn in Deutschland findet für pharmazeutisches Personal eine automatische Gehaltsvorrückung nur bis zum 12. Dienstjahr statt. Danach ist man sich selbst und seinem Verhandlungsgeschick überlassen. 14. Gehalt gibt es laut Bundesrahmentarifvertrag (was für ein schönes Wort) keines und sogar das 13. kann unter bestimmten Umständen reduziert werden. Ganz generell liegt das Gehaltsschema der angestellten Apotheker:innen ordentlich unter jenem in Österreich. Von der schlechten Abgeltung für Notdienste gar nicht zu sprechen.
Apropos Notdienste: Wer in Deutschland eine Apotheke außerhalb der Öffnungszeiten aufsucht, zahlt an Werktagen zwischen 6:00 und 20:00 gar keine extra Gebühr. Zwischen 20:00 und 6:00 sowie an Sonn- und Feiertagen sind es einheitlich 2,50. Und trotzdem raunzt natürlich der Nasenspray-Kandidat um 2 Uhr Früh, warum das (!) Spray jetzt so viel mehr kostet. Diesbezüglich unterscheidet sich Deutschland ganz und gar nicht von Österreich.
Aber zurück zur Gehaltskasse: Ein so, wie ich finde, großartiges Umlagensystem wie in Österreich sucht man im Nachbarland vergeblich. Doch auch die anderen Leistungen, die in der Spitalgasse gebündelt sind, werden dort nur bedingt geboten. Rezeptabrechnung zum Beispiel ist Sache der Apotheke. Am Markt gibt es einige Anbieter, die die Abrechnung mit den Kassen übernehmen, dafür nicht wenig verlangen und – wenn man Pech hat – in Konkurs gehen und die Apotheke mit einem sechsstelligen Ausfall im Regen stehen lassen (wie im September 2020 passiert – und *hurra*: Wir waren dabei).
Stellenanzeigen findet man bei der Landesapothekerkammer, aber auch beim Landesapothekerverband. Generell kochen die beiden Institutionen in vielen Punkten ihr eigenes Süppchen. Und dann gibt es noch die Abda als oberste Apothekenvertretung. Wer jetzt gerade welche Aktion plant, ist für am Rande Interessierte nicht immer mitzubekommen. Daher geht an dieser Stelle ein Bonuspunkt an die Österreichische Apothekerkammer. In meiner Wahrnehmung ist diese nicht nur engagierter, sondern in den Apotheken auch präsenter und vor allem transparenter. Da mag jetzt der eine oder die andere zweifelnd die Augenbraue heben, aber allein das Fortbildungsangebot der Ö-Kammer ist beispiellos in Deutschland. Neidvoll habe ich auf die Impfausbildung geschielt.
Das wiederum ist einer der wenigen Pluspunkte der deutschen Apothekenlandschaft: bezahlte pharmazeutische Dienstleistungen. Ganz allgemein kann ich aber sagen: Wenn man von jenseits des Tellerrandes auf die Österreichische Apothekensuppe schaut, gibt es dort (noch) sehr viel Gutes.
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