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28. Mai 2025

Konnektive Orte der Zukunft

Service | PHOENIX
Konnektive Orte der Zukunft

 

Neue Lebensmodelle brauchen neue Lebensräume: Sie werden als konnektive Orte Menschen in der individualisierten Gesellschaft wieder stärker zusammenbringen, so Zukunftsforscherin Christiane Varga-Polzhofer. Dabei werden neue Wohnformen als Ergänzung zu klassischen existieren und Wohnen und Arbeiten neue Allianzen eingehen. Die Apotheke der Zukunft wird zum Erlebnisraum mit der richtigen Balance zwischen Traditionellem und Neuem.  

Welche gesellschaftlichen Veränderungen beeinflussen derzeit unsere Lebensräume? 

Mag. Christiane Varga-Polzhofer: Wir befinden uns derzeit an einem Punkt, an dem sich große gesellschaftliche – vor allem strukturelle – Veränderungen abzeichnen. Dies vor allem aufgrund der demografischen Entwicklung, denn die Gesellschaft wird älter und bleibt länger jung. Nachdem sich Menschen vor diesem Hintergrund anders mit Gesundheit und Medizin ebenso wie mit einem gesunden Lebensstil auseinandersetzen, kristallisieren sich hier vor allem für den Gesundheitssektor wesentliche Handlungsfelder heraus. Anders ausgedrückt: Die hoch zivilisierte Gesellschaft von heute mit ihren hochgradig individuellen Lebensstilen führt dazu, dass Menschen mehr Platz zum Leben benötigen, öfters umziehen und auch häufiger ihre Lebenspartner wechseln. Diese Entwicklung führt dazu, dass Menschen zwar selbstbestimmter sind, doch die Gesellschaft dadurch zunehmend atomisiert wird. Folglich benötigt sie auch sogenannte konnektive Orte, um zusammenzukommen.  

Welche Trends sehen Sie in der Entwicklung von Städten und Regionen? 

Varga-Polzhofer: In den Städten kommt es immer mehr zur Dezentralisierung, vor allem in Wien mit den unterschiedlichen Bezirken. In diesem Zusammenhang ist das Konzept der 15-Minuten-Stadt interessant. Im Kern geht es darum, dass der Mensch ohne ein mobilisiertes Gefährt alles, was er zum täglichen Leben braucht, innerhalb von 15 Minuten erreichen kann. Das ist vor allem hinsichtlich der Vereinsamung von älteren Menschen, die weniger mobil sind, relevant. Wie überall gibt es auch hier einen Gegentrend: Digitale Plattformen führen mit Hilfe von digitalen Communitys Menschen zusammen, die sich gegenseitig helfen. Nachdem die klassische Großfamilie nicht mehr existiert, entstehen zahlreiche Bewegungen aus der Gesellschaft selbst heraus, um einander zu unterstützen und dafür entsprechende Strukturen zu schaffen.  

Wie sieht es hier bei Gesundheitsbetrieben aus? 

Varga-Polzhofer: Obwohl es viele Hidden Champions gibt und ich eigentlich einen guten Überblick über die diesbezügliche Entwicklung habe, muss ich gestehen, dass mir spontan kein einziger Gesundheitsbetrieb einfällt, der Modernes mit Traditionellem verbindet, um etwas Neues zu schaffen. Ich denke, dass die Gesundheitsbranche zu schüchtern und nicht gewöhnt ist, sich zu präsentieren. Allerdings kommt der Sichtbarkeit zentrale Bedeutung zu, ebenso wie den Denkstrukturen. Zukunft findet nämlich dort statt. Der Mensch fokussiert in erster Linie auf eine lineare Zukunftsvorstellung, wonach Zukunft nur mit Fortschritt assoziiert wird. Diese Vorstellung hat etwas Kühles und Maschinelles – etwas, das wir aus dem produzierenden Zeitalter kennen. Da aber unsere Welt immer komplexer wird, ist diese lineare Denkweise äußerst gefährlich, weil sie uns den Blick auf die Brandbreite des Möglichen verstellt und die Scheuklappen-Sicht fördert. Für die Zukunft ist das divergierende Denken essenziell. Die Zukunftsforschung konzentriert sich auf einige Werkzeuge, darunter das „Trend-Gegentrend-Modell“, das die Notwendigkeit der Rückbesinnung in den Mittelpunkt stellt.  

Warum sind diese Veränderungen besonders für Apotheken relevant? 

Varga-Polzhofer: Weil sich Apotheken mitten in diesem Wandel befinden. Wenn sich nämlich das Umfeld verändert, muss sich die Apotheke automatisch – freiwillig oder unfreiwillig – ebenfalls verändern. Damit geht einher, dass die Apotheke zum dezentralen Ort wird. Sie wird zu einem Hub, wo man sich trifft und nicht nur ein Rezept einlöst und wieder geht. Das veränderte Gesundheitsbewusstsein der Menschen, die immer stärker auf Prävention setzen, erfordert auch ein neues Angebot. Die Nachfrage nach individueller Beratung und personalisierter Medizin steigt laufend. Damit eröffnet sich für Apotheken auch die Möglichkeit, in verstärktem Maße Gesundheitscoachings anzubieten – online oder vor Ort –, in deren Zuge man spezialisierte Produkte vermarkten kann.  Die Digitalisierung birgt auch die Chance, Strukturen zu etablieren, die vorher nicht möglich waren, wie etwa die vollautomatisierte Abgabe von Arzneiwaren.  

Wie verändert sich das Gesundheitsbewusstsein der Menschen, und was bedeutet das für den Service von Apotheken?  

Varga-Polzhofer: Das Gesundheitsbewusstsein ist in den vergangenen Jahren immer stärker und breiter geworden. Gesundheit wird nicht länger als Abwesenheit von Krankheit verstanden, sondern es wird proaktiv nach Elementen gesucht, die dabei helfen, gesund zu bleiben, sich fitter zu fühlen und das Bestmögliche aus sich herauszuholen. Kritisch sind dabei Konzepte wie des extremen Biohackings zu werten, die ein langes Leben oder gar Unsterblichkeit propagieren. Dennoch existieren diese Tendenzen und Apotheken können sie zur Angebotserweiterung, wie etwa Messungen zum Optimierungsbedarf, nützen. Allerdings muss das Angebot dann auch zur Apotheke passen. Wer sich beispielsweise für die Erweiterung des Online-Angebots entscheidet, sollte dies differenziert machen und beispielsweise Expertenblogs anbieten, um in der Welt der Informationsüberflutung Ordnung und Struktur zu bieten. Menschen sind heute Prosumenten und fordern daher den Dialog auf Augenhöhe. Hier kann der Apotheker als Vertrauensperson für Stammkunden als menschlicher Ansprechpartner in Zeiten der Digitalisierung punkten – vor allem bei älteren Kunden. Der Weg führt also weg vom reinen Konsumort hin zum vertrauensvollen Dialog.  

PHOENIX print Frühlingsausgabe 2025 – NATIONAL. International.artikel von 2014

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